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CORONA-KRISE (16) – DER KONTROLLWAHN

Die Corona-Krise ist in der 2. Welle angekommen. Es war wohl deutlich, dass diese kommen würde, oder nicht? Schwere Krisen haben nämlich einen langen Atem. Und das, obwohl wir hoffen, dass es so schnell wie möglich vorbeigeht. Aber das wird diesmal nicht gelingen. Die steigenden Infektionszahlen stärken die Position von Menschen, die die Maßnahmen gutheißen, während die Position der Kritiker deutlich schwächer wird. Nun scheint (wieder) die Stunde der braven, ängstlich-korrekten Menschen gekommen zu sein. Von Menschen also, die keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, ohne andere auf die Regeln aufmerksam zu machen. Wirklich lästig, diese Angst. Denn wenn diese sich nicht ernst genommen fühlt, neigt sie sogar zu Aggressionen. Die Stimmen werden jetzt schon merklich schärfer! Leider ist es so, dass die Angst – wenn sie uns einmal im Griff hat – sich selbst bestätigt und eine Art »Rechthaberei« entwickelt. Diesem Mechanismus können wir nicht so einfach entkommen. Denn dann bestimmt die Angst, ob wir es noch wagen, Schritte zu unternehmen oder wichtige Entscheidungen zu treffen. Und ob wir überhaupt noch etwas wagen.


VON ANGST ZUR KONTROLLE

Angst erzeugt ein Kontrollbedürfnis – und je größer die Angst, desto größer das Kontrollbedürfnis. Angst und Kontrollbedürfnis werden dann zu einem »Käfig«, mit dem wir Gott und das Leben ausschließen. Dies ist jedenfalls die Wirkung des Käfigs. Irritierend ist jedoch, dass diese Kontrolle auf Dauer nicht funktioniert. Immer wieder wird das Leben einen Weg finden, der Kontrolle zu entkommen. Dies wissen wir und darum versuchen wir noch mehr Kontrolle auszuüben. Zugleich wird jedoch die Angst größer, dass vielleicht irgendetwas der Kontrolle entkommen könnte. Darum wird die Kontrolle verstärkt. Womit die Angst zunimmt, dass doch etwas entwischt … A never ending story. So werden wir immer ängstlicher, probieren immer mehr Kontrolle auszuüben – und leben immer weniger. Nie ist die Kontrolle ausreichend, denn das Leben ist und bleibt gefährlich, sogar lebensgefährlich. Sehr leicht wird dann aus Kontrolle ein Kontrollwahn. Je weiter wir es mit unserer Angst und dem Kontrollwahn getrieben haben, desto schwieriger ist der Weg zurück zu einem entspannten Leben. Und desto weiter ist der Weg zu Gott. Denn Abkehr von Gott, Angst und Kontrollbedürfnis: Eins entsteht aus dem Anderen. Sie ergänzen sich und formen einen Zirkel, der sich schneller und schneller dreht – und sich dann festfährt. Dies ist schon jetzt wahrnehmbar und über diesen Zirkel haben wir keine Kontrolle. Auf diese Weise bekommt die Angst die Übermacht und bekommen Kontrolle und Sicherheit den Status eines absoluten Wertes. Dann befinden wir uns bereits in der Nähe eines »Hygienefaschismus« (Daniel Stricker). Angstmachende Aussichten!


VON MUT ZU VERTRAUEN

Der Verlust von Kontrolle macht uns so viel Angst, dass wir lieber brav sind. Sehr brav sogar! Nichts scheint schlimmer zu sein, als die Kontrolle zu verlieren. Im religiösen Leben jedoch, in der persönlichen Gottesbeziehung, gehört der Verlust von Kontrolle dazu. Sicher nicht immer schön für unser Ich – natürlich nicht – wohl aber für unsere Seele. Denn diese verlangt danach, zu ihrem göttlichen Zuhause zurückzukehren. Nur, wie kommen wir dahin? Wenn wir uns im Leben öfter etwas trauen, dann wird die Angst weniger. Aber dafür haben wir erst einmal etwas Mut nötig. Wenn die Angst nachlässt, lässt auch der Kontrollwahn nach – und so werden wir langsam stärker als die Angst. Auf diese Weise kann sich Vertrauen entwickeln, auch in die schwierigen Seiten des Lebens. Dann dreht sich der Zirkel in die richtige Richtung und wir lernen langsam, uns der (Über-)Macht Gottes anzuvertrauen. Die Belohnung, die dann auf uns wartet, ist die (Angst-)Freiheit der Kinder Gottes. Der Weg zu Gott ist also vor allem eine Frage des Mutes, ob wir nämlich den Verlust von Kontrolle wagen. Kontrolle und Kontrollwahn haben alles mit unserer Gottesbeziehung zu tun. Lebenskrisen sind Zeiten, in denen unsere persönliche Beziehung zu Gott auf die Probe gestellt wird. Individuell oder gesellschaftlich: Wieviel Kontrolle haben wir (noch) nötig und wieviel Gott trauen wir uns? Unser Kontrollbedürfnis ist also ein Spiegel, wie es um unsere Gottesbeziehung steht. Und – was sagt uns dieser Spiegel?


Vaalser Weekblad, 23. Okt. 2020

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