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Helene Erika Etminan

CORONA-KRISE (3) – WAS MÜSSEN WIR LERNEN?

CORONA-KRISE (3) – WAS MÜSSEN WIR LERNEN?

Hinter uns liegt ein ganz besonderes Osterfest. Leiden und Kreuz, Untergang und Tod – und dann die Auferstehung: diesmal aber mitten in unserem Leben. Dieses Ostern werden wir nicht so schnell vergessen. Allerdings lässt die Auferstehung in unserem Leben noch eben auf sich warten. Damit diese Auferstehung gelingt, ist es wichtig, dass wir alle zusammen etwas aus dieser Corona-Krise lernen. Allerdings haben viele Menschen keine Lust, sich der Situation anzupassen und sich als Person weiterzuentwickeln. Genau darum ist diese Krise für viele unangenehm, sogar bedrohlich. Sie wollen nicht lernen, sie wollen ihre Ruhe und das alte, vertraute Leben zurückhaben. Dies aber ist in einer Krise fast unmöglich. Eine Krise möchte, dass wir ihre Anwesenheit akzeptieren und mit ihr zusammenarbeiten. Bis wir ihr am Ende unsere Zustimmung geben können: JA – es sei so! Erst dann finden wir Ruhe, vielleicht nicht im Leben draußen, aber tief in unserem Innern. Dann entsteht Frieden, mitten in der Krise.


WAS GIBT ES ZU LERNEN?

Aber müssen wir überhaupt etwas lernen? Oh ja, denn jede Krise ist eine Chance, eine Einladung zur weiteren Entwicklung. Sowieso ist die Corona-Krise eine komplexe Krise. Also mit verschiedenen Fronten und Niveaus. Wir werden nicht nur mit Fragen von Gesundheit und Tod konfrontiert, sondern auch mit finanziellen Schwierigkeiten, mit weniger sozialen Kontakten, mit Einsamkeit, mit Problemen und Konflikten in Familien usw. Diese Corona-Krise wird sicher noch eine Zeit dauern. Wenn sie uns aber doch quält, können wir sie auch gleich fragen, was sie von uns will. Zunächst einmal brauchen wir nicht zu lernen, was wir bereits können. Vielen Menschen gelingt es gut, für Wohlfahrt zu sorgen, Ziele zu erreichen, ihren Willen durchzusetzen und sich zu behaupten. Dabei ist das eigene ´Ich´ bestimmend. Mit dieser Krise sind wir jedoch an einem Wendepunkt angekommen – individuell wie gesellschaftlich. Was wir bereits können, scheint für den Umgang mit dieser Krise und damit für die Zukunft zu wenig zu sein. Etwas muss hinzukommen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die besser geeignet sind. Wir müssen also etwas lernen, das wir noch nicht können oder vielleicht vergessen haben.


ANDERE SEHEN

Anstatt also Ich-Ziele zu erreichen, werden wir nun eingeladen, kostbare Fähigkeiten wieder zu zeigen oder neu zu entwickeln: Zuneigung, Liebe, Aufmerksamkeit, Zuhören, Unterstützung, Zeit haben für andere, aber auch Einsamkeit ertragen können usw. Das ist nicht gerade einfach, siehe das soziale Elend von Älteren und die Gewalt in Familien. Diesmal geht es nicht um Spenden für einen guten Zweck, sondern es wird Solidarität von Mensch zu Mensch gefragt. Nicht einfach. Wenn wir Geld spenden, hat unser Ich ein feines Gefühl, aber wenn wir uns für die Gesundheit anderer einschränken müssen? Dann bedeutet diese Solidarität eine Einschränkung der eigenen Freiheit. Diese Solidarität muss am eigenen Ich vorbei. Nein, so weit geht unsere (Nächsten-)Liebe nicht? Bei Solidarität liegt der Focus nicht länger auf dem Ich, sondern auf dem Du. Nicht länger, was ist mein Bedürfnis und was habe ich nötig, sondern was haben Menschen nötig, die auf mich angewiesen sind (Kinder, Partner, Eltern)? Nicht mehr, ich will gesehen werden, sondern ich sehe dich. Andere Menschen wirklich wahrzunehmen, das ist ein Blick, der sie »freischaut« (Hein Blommestijn). Freischaut von ihrem Elend und allen Sorgen. Ein Blick, der anderen das Bewusstsein gibt, durch Gott gewollt zu sein. Dies ist ein Blick, der auch uns selbst freischaut: frei vom Ich und seinen Sorgen. Denn für diesen Blick müssen wir uns selbst zurücklassen und Abstand nehmen vom oh so wichtigen Ich. Unsere Aufmerksamkeit liegt dann beim Anderen und dies macht nicht nur ihn glücklich, sondern auch uns selbst. Durch diesen liebevollen Blick geben wir dem (lästigen?) Anderen seinen Wert zurück und finden wir zugleich unseren eigenen Wert. Diese Wende in der Wahrnehmung gelingt aber erst, wenn wir – mitten im Elend – zu uns selbst kommen, zur Ruhe in der eigenen Seele. Um dann von hieraus mit der Seele des Anderen in Kontakt zu sein. Hierbei könnte diese Krise uns helfen. Sind wir bereit, sie willkommen zu heißen?


Vaalser Weekblad, 24 April 2020

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